Besonderheiten auf Social Media
✅Die Anwendung des § 86a StGB in sozialen Netzwerken bringt spezifische Herausforderungen mit sich. Anders als bei klassischen Medien entfalten Inhalte auf Plattformen wie Instagram, Facebook, TikTok oder Twitter/X eine besonders hohe Dynamik. Ein einzelner Post oder Kommentar kann binnen Sekunden eine enorme Reichweite erlangen, ohne dass der Urheber dies vollständig kontrollieren kann. Genau diese Öffentlichkeit und Viralität erhöhen die strafrechtliche Relevanz erheblich. Während im analogen Raum ein verbotener Slogan auf einem T-Shirt oder Plakat nur eine begrenzte Zahl von Personen erreicht, kann derselbe Slogan online durch Likes, Shares, Reposts oder Hashtags innerhalb kürzester Zeit tausendfach verbreitet werden. Dadurch wird nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch das Gewicht der Tat gesteigert.
✅Ein weiterer zentraler Punkt ist das „kennzeichenmäßige“ Verwenden von Symbolen und Parolen. Strafbar ist nicht jede beliebige Darstellung, sondern nur dann, wenn der jeweilige Inhalt vom Publikum als Erkennungszeichen einer verbotenen Organisation verstanden wird. Die rechtliche Bewertung hängt also nicht allein vom Wortlaut oder Symbol ab, sondern von Gestaltung, Kontext und Intention. Ein Beispiel: Wird ein NS-Slogan in Kombination mit typischer Typografie, Farben oder Symbolen präsentiert, liegt die Annahme einer kennzeichenmäßigen Verwendung nahe. Wird derselbe Satz jedoch in einem klar aufklärerischen Beitrag über die Geschichte des Nationalsozialismus eingebettet, kann die Bewertung anders ausfallen.
✅Wichtig ist, wie ein objektiver Betrachter die Darstellung versteht und ob ein Bezug zu einer verbotenen Organisation eindeutig erkennbar ist.
Besonders heikel sind Fälle, in denen Nutzer Symbole oder Slogans ironisch, provokativ oder „ästhetisch“ einsetzen. Auch wenn die Intention subjektiv nicht auf die Billigung einer Organisation abzielt, reicht es für eine Strafbarkeit aus, wenn die Darstellung nach außen als Kennzeichen verstanden wird. Deshalb kommt es im Strafrecht nicht allein auf die innere Haltung des Verfassers, sondern auf die äußere Wahrnehmbarkeit an.
Von großer Bedeutung sind daher die Ausnahmeregelungen nach § 86 Abs. 3 StGB, die unter der Bezeichnung „Sozialadäquanzklausel“ bekannt sind. Sie ermöglichen die straflose Nutzung verbotener Kennzeichen, wenn dies einem übergeordneten Zweck wie Kunst, Wissenschaft, Forschung, Lehre, Berichterstattung oder politischer Aufklärung dient.
✅Damit diese Ausnahme greift, muss die Darstellung jedoch klar als solche erkennbar sein. Wer ein Symbol oder einen Slogan zu Aufklärungszwecken verwendet, sollte dies deutlich kenntlich machen.
Das geschieht am besten durch einen erläuternden Begleittext, der den historischen oder politischen Kontext erklärt. Zusätzlich kann ein Hinweis auf den Aufklärungs- oder Bildungszweck gegeben werden, etwa durch die Einordnung in einen journalistischen Beitrag oder einen wissenschaftlichen Artikel. Auch Quellenangaben können sinnvoll sein, um die Ernsthaftigkeit der Verwendung zu unterstreichen. Je transparenter die Distanzierung und die kritische Auseinandersetzung erkennbar sind, desto eher lässt sich eine Strafbarkeit vermeiden.
➡️Zusammenfassend gilt: Die Nutzung von Symbolen und Slogans auf Social Media ist rechtlich besonders riskant, weil die Reichweite groß, die Deutung oft mehrdeutig und die Schwelle zur Strafbarkeit schnell überschritten ist. Wer in sozialen Netzwerken mit historischen oder politisch aufgeladenen Zeichen arbeitet, muss sich der rechtlichen Fallstricke bewusst sein und bei zulässigen Nutzungen stets für eine klare Einbettung und Distanzierung sorgen.
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